Lebenskompass statt Neujahrsvorsätze


Neujahrsvorsätze, keine Neujahrsvorsätze – ich habe ja schon geschrieben, was ich so dazu denke. Das Neujahrsfest ist zwar ein verbreiteter Anlass, aber es besteht eigentlich kein Grund genau zu diesem Zeitpunkt sein Leben umzukrempeln. Und seien wir ehrlich: Welche Motivation löst der Januar aus, wenn es um Themen geht, die wir sowieso nicht ernst meinen? Und so habe ich schon Artikel gelesen, die meinen, dass erst, wenn man die Vorsätze verletzt, sie sich zu wahrer Größe aufschwingen. Was denn jetzt? Hilft ein Lebenskompass vielleicht mehr als ein Ziel?

Nun – es bleibt ja dabei, dass wir aus irgendeinem Grund Dinge in uns, unseren Beziehungen zur Welt oder was auch immer ändern wollen. Es heißt, dass der Drang zur Entwicklung Teil des Menschseins ist. Ich sollte hierzu eine Quelle angeben, die ich aber leider nicht habe. Ich habe mir das jedoch nicht selbst ausgedacht – es gefällt mir aber gut, dass Lernen, Neugierde auf die Welt und der Wunsch nach dem Verstehen ein unabsprechbarer Teil des menschlichen Seins ist.

Nun gibt es aber ja auch anscheinend eine Gegenbewegung dazu, die sagt, dass nur glücklich wird, wer auf dem Lebensweg glücklich ist und nicht erst in einem imaginierten Ziel. Der Widerspruch ist aber eben nur anscheinend einer: Selbst wenn ich also sage, das der aktuelle Zustand änderungswürdig ist, ich einen anderen Zustand für besser erachte, dann ist der Trick, dennoch in der Übergangsphase auch sein Lebensglück zu finden!

Das Glück liegt im Gehen, nicht im Ankommen

Nehmen wir also an, ich befände mich in einem bestimmten Zustand, den ich für änderungsbedürftig halte. Wenn diese Änderung sehr einfach wäre, hätte ich das aber ja schon zwischen Frühstück und Mittag gemacht. Ich habe mit dieser Änderung also nur dann ein Thema, wenn sie sich einer kurzfristigen und/oder einfachen Umsetzung widersetzt.

Ist ja eigentlich naheliegend: Über die kurzfristig änderbaren Dinge redet man ja nicht – macht man ja einfach. Nehmen wir also weiterhin an, wir wissen, was zu tun ist und haben uns auch schon einen Plan zurecht gelegt. Es bleibt nun noch meine Einstellung zum Änderungsvorgang zu überdenken. Wenn ich mein Lebensglück erst (wieder-)finden kann, wenn die Änderung abgeschlossen ist, verliere ich die Zeit dazwischen. Ich erhöhe auch die Wahrscheinlichkeit, dass nach der Änderung der nächste Änderungswunsch aufkeimt, der mich wiederum abhält, glücklich zu sein.

Im Widerspruch zur gefühlten Üblichkeit, ermuntere ich also, den Weg, den es zu gehen gilt, so zu gestalten, dass Du dich dabei gut fühlst. Suchst Du die Challenge, die tägliche Herausfordeung, den Thrill? Dann mache ein Wettkampf draus! Bist Du der Genuss-Spaziergänger, dann nimm eine Picknickdecke mit, den guten Rotwein, den Du aus Deinem letzten Urlaub mitgenommen hast und freue Dich auf der Bank am Wegesrand an dem bisher Erreichten.

Auch wenn die Zielfokussierung, das Ausblenden aller Umwege etc zum üblichen Mantra der Leistungsgesellschaft gehört, sollten wir uns fragen, was wirklich wichtig ist: Es geht darum, das Richtige zu tun. Und da das sowieso nie fertig ist, schließt das gleichsam ja auch aus, dass wir irgendwann ein Zielzustand erreichen. Richten wir uns also auf dem Weg so ein, dass wir ihn auch weit gehen können. Wir brauchen eher den langen Atem als den Sprint.

Die Wahl des Ziels

Ich bitte nun, mich nicht misszuverstehen, dass ich die Arbeit an einem (persönlichen / gesellschaftlichen / fremden) Ziel ablehne! Im Gegenteil! Ich bin ja auch selbst der Welt zugewandt und möchte lernen, erkunden, verstehen. Wie ich ja auch schon einmal ausgeführt habe, bin ich aber nicht so der Bucketlist-Typ. Mir geht es eben eher darum, meinen Weg zu gestalten und habe also eher ein unscharfes Ziel vor Augen.

“Wo siehst Du Dich in 5 Jahren?” ist quasi die Mutter aller Fragen in Bewerbungsgesprächen. Wer kennt sie nicht? Was für ein Unsinn! Die Frage stammt vermutlich aus einer Zeit, in der das noch absehbar war. Ohne mit dem Wort VUCA einem Killer-Buzzword eine zu große Bühne zu geben, können wir nicht mehr von einem planbaren Verlauf der Zukunft ausgehen. Somit geben Ziele auch eher Richtungen an, sind quasi der Kompass, der uns an Gabelungen Hinweise gibt, ob wir rechts oder links abbiegen sollen.

Wenn Du also ein Ziel formulieren möchtest, dann nimm Dir vor, Dein Leben lang – auf Deinem Lebensweg sozusagen – Deinen Lebenskompass zu entwickeln und zu nutzen. Ein paar Stellschrauben habe ich hier zusammengetragen: Drei Dinge sind Wirklich Wichtig.

Was bleibt für mich?

Der Kalenderspruch “Der Weg ist das Ziel” ist tatsächlich gar nicht so schlecht, wenn man einen Moment drauf rumdenkt. Beachte auch noch, mit wem Du Dich auf den Weg machst. Denn zum (nebulösem) Ziel und dem Weg gehören auch die Gefährten, mit denen Du unterwegs bist. Als kleines Bonmot muss ich übrigens noch loswerden, dass ich die Empfehlung lustig finde zu lesen, sich nur mit klügeren Menschen zu umgeben. Funktioniert ja nicht, weil deren Entscheidung dann ja sein müsste, nicht mit dir zu gehen…

Die Nihilisten unter uns könnten meinen, dass uns das sowieso alles nichts bringt, weil wir am Ende ja doch sterben. Ja, es ist richtig, dass wir alle sterben müssen. Glücklicherweise sind wir aber ja nicht alleine auf der Welt. Wenn wir nicht aus “wir müssen alle sterben” ableiten, dass wir dann ja auch alle gleichzeitig sterben, wäre meine Antwort, dass ich es gut finde, meinen Lebenszeitvorsprung im Kompass-Tuning an die Nachhut weiterzugeben, die ja schon da ist. “Lebenszeitvorsprung” ist übrigens wirklich nur im Sinne von “Dauer” gemeint, nicht in “besser”. Es ist fantastisch, was ich alles von den Heranwachsenden lernen darf – meine Welt wird täglich reicher.

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