Auf Epiktets Spuren


Angekündigt im letzten Blog-Beitrag – der schon eine Weile her ist, wie ich einräumen muss – ist die Rezension des „Handbüchlein der Moral“ von Epiktet.

Epiktet lebte um 50 nach Christi in Rom zunächst als Sklave, später als Freigelassener. Er studierte bei Gaius Musonius Rufus die Stoa, die er interpretierte und später auch in seiner eigenen Philosophenschule lehrte. Epiktet hat nichts Eigenes überliefert, Zeugnisse seiner Lehre sind durch seine Schüler oder andere Schreiber überliefert.

Von seinem Schüler Arrian verfasst ist das „Handbüchlein“ das teils wörtlich und teils sinngemäß praktische Entscheidungshilfen gibt. Heutzutage würde man dazu vermutlich eine Liste aus „Dos und Don’ts“ sagen und als solche können wir das Handbüchlein mit 53 Kapiteln und ebensovielen Entscheidungshilfen auch lesen.

Einstieg: Das Handbüchlein der Moral

Es ist wirklich ein kleines Büchlein: es ist kleiner als eine Postkarte und etwa 5mm dick. So darf (oder brauch?) man also auch keine epischen Herleitungen erwarten: Das Buch wendet sich an einen imaginierten Zuhörer, dem Epiktet seinen Richtlinien darlegt. Trotz der geringen Buchgröße sind die Richtlinien selten länger als eine Seite. Ich habe mal eines zitiert:

Beleidigungen treffen dich nicht

Bedenke: Nicht wer dich beschimpft oder dich schlägt, verletzt dich, sondern nur deine Meinung, dass diese Leute dich verletzen. Wenn dich also jemand reizt, so wisse, dass es deine eigene Vorstellung ist, die dich gereizt hat. Deshalb versuche vor allem, dich vom äußern Eindruck nicht hinreißen zu lassen. Hast du erst einmal Bedenkzeit gewonnen, wirst du dich leichter bemeistern

Epiktet, Handbüchlein der Moral, Kap. 20, Reclam

In dieser Art und bietet Epiktet weitere Empfehlungen an, konkret wie oben würde man heute dazu „Re-Framing“ sagen, also die Neuinterpretation eines üblichen Sachverhaltes.

Andere sind Entscheidungshilfen bei der Frage, ob ein angeführter Vorfall unter der Verfügung des Protagonisten steht und was das bedeutet: Schön dazu das Kapitel 25 „Ehren haben ihren Preis“.

Was bleibt für mich?

Die Ratschläge lassen sich leicht auf das heute Leben interpretieren – unfassbar, was sich die alten Philosophen damals schon für Gedanken machten. Natürlich bleibt die eine oder andere Regel mit einem leicht schalen Geschmack: So ist die Gleichberechtigung der Frauen nicht selbstverständlich, was aus der Perspektive des Epiktet jedoch der Norm entsprach, die er aktzeptierte.

So könnte ich mir natürlich die meisten Regeln zurechtlegen und interpretieren. Es wäre aber zu einfach, wenn ich nur sage: „Hach, damals! Das passt ja heute gar nicht!“. Dann nämlich – so finde ich – gebührte es dem Respekt vor Epiktet, sich mit dieser Regel auseinander zu setzen und seine Moralvorstellungen am heutigen bzw. eigenen Moralkodex zu spiegeln.

Das Buch ist ein guter Leitfaden entlang der Stoa in den daraus ableitbaren Lebensregeln. Eptiktes Leitprinzip „Über das eine gebieten wir, über das andere nicht.“ und den Folgerungen daraus können wir viel ableiten. Insbesondere unsere Zuständigkeit, diese Unterscheidung vornehmen und dann die Verantwortung dafür übernehmen zu müssen.

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