Kompensiert nach Madeira


Die Urlaube häufen sich und mit ihnen die Frage nach ihrer Klimaverträglichkeit. Können wir vor dem Hintergrund der menschgemachten Klimaänderung noch sorglos reisen? Wie fühlt sich der moderne Ablasshandel der CO2-Kompensation an? Was kostet es, CO2 Kompensiert nach Madeira zu fliegen?

Mit meiner besten Ehefrau von allen bin ich auf Madeira. Ich wäre ja gerne im Greta-Style mit einer Hochseeyacht hierher gesegelt, bin aber nicht sicher, ob ich dann nicht vielleicht alleine hier wäre. Oder andersherum: Meine beste Ehefrau von allen wollte mangels Hochseeyacht-Zutrauen fliegen und ich bin mangels Hochseeyacht-Verfügbarkeit mitgeflogen.

CO2 Bilanz

Mit schlechtem Klima-Gewissen habe ich mich informiert: Bei Atmosfair kostet der CO2-Ablasshandel 34€ für eine Person mit diesem Reiseziel. Der Flug soll ca. 1,5 Tonnen CO2 nach dem Rechenmodell des Umweltbundesamtes produzieren. Das klimaverträgliche Jahresbudget liegt bei 2,3 Tonnen CO2, unser Auto erzeugt davon allerdings bereits ca. 2 Tonnen. Wir sprengen mit diesem Flug und unserem Auto also ganz locker unsere Obergrenze – selbst wenn wir uns das Auto-CO2 teilen.

Wir haben den Flug und das Benzin unseres Leih-Autos bei Atmosfair kompensiert. Der geneigte Leser wird jetzt vielleicht und zu Recht anmerken, dass es ja schön sei, wenn ich mir das alles zusätzlich zum Urlaub leisten könne, er könne das aber sicher nicht. Das mag sein – ich kann es nicht beurteilen. Dessen ungeachtet bleibt, dass diejenigen, die es sich leisten können, eben bereits jetzt auch schon in der Pflicht sind, es auch zu tun. Das schließt Regierungen reicher Länder wie Deutschland und die USA wie auch Privatpersonen ein.

Was bedeutet das für unseren Urlaub? Ich habe in Zweifel an der Nachhaltigkeit geschrieben, dass es drei Optimierungskriterien bei der Auswahl eines Produktes gibt:

  1. Umweltbilanz über den ganzen Lebenszyklus
  2. Preis
  3. Meine Freude bei der Nutzung

Lassen wir mal den Preis beiseite, Spaß werde ich hoffentlich auch haben – ist ja Urlaub – und betrachten die Umweltbilanz. Den größten Einfluss auf die Umweltbilanz dieses Urlaubes hat sicher die Wahl des Urlaubsortes bzw. damit einhergehend die Anreise. Essen und trinken müssen wir zu Hause ebenfalls, auch im Urlaub versuchen wir lokale Nahrungsmittel zu konsumieren. Es ist mir aber (wie auch zu Hause>) oft komplett intransparent, woher die Zutaten eines gekauften Gerichtes stammen. Woher kamen Mehl und Süßkartoffeln des Bolo de Baco Brotes, dass wir heute beim Spaziergang durch Funchal gegessen haben? Süßkartoffeln werden auf Madeira angebaut, aber woran erkenne ich, dass unser Brot aus lokalen Zutaten hergestellt wurde?

Im Schnitt sind etwa 20.000 Touristen auf Madeira, wenn wir von 7.2Mio Übernachtungen in 2018 ausgehen, und von einer gleichmäßigen Verteilung über das Jahr ausgehen. Weitere Gäste kommen über die Kreuzfahrtschiffe. Kann die Insel alle Gäste mit lokal gefangenem Fisch und heimischen Gemüse versorgen? Ich kann es nicht beurteilen, stelle es aber mal in Frage.

Ich nehme also an, dass der Betrieb des Hotels, unsere Ernährung und unsere Unternehmungen hier eine höhere Ressourcennutzung zur Folge haben, da viele meiner verbrauchten Ressourcen nicht lokal erzeugt werden (können). Sie kommen bestenfalls vom portugiesischen Festland und haben somit eine 1000km lange Flug- oder Schiffsreise hinter sich, was sich neben unserem Flug auf die Gesamtumweltbilanz unseres Urlaubes auswirkt.

Sowohl Anreise als auch das Verbringen des Urlaubs fordern somit ihren CO2-Tribut.

Ist Reisen schlecht fürs Klima?

Nein, so eine pauschale Aussage wird der Komplexität des Sachverhaltes nicht gerecht. Es gibt sicher mehr oder weniger klimaschädliche Arten eines Urlaubes. Neben dem zusätzlichen CO2 müssen wir für unsere Öko-Bilanz noch den Verbrauch von sonstigen Ressourcen und die Produktion von Müll betrachten, die oftmals in einem Zusammenhang stehen. Es gibt weitere Nebeneffekte durch unsere pure Anwesenheit auf Einheimische, auf Pflanzen und Tiere.

Unser Hotel gibt sich Mühe und veröffentlicht in der Lobby ihre Erfolge und auch Misserfolge im Nachhaltigkeitsmanagement. So steht geschrieben, dass sie Müll vermeiden (tatsächlich sehr wenig Einweg-Zeug auf dem Frühstücksbuffet), den Müll trennen und Energie und Wasser sparen.

Dennoch muss ich einräumen, dass die Bilanz eindeutig negativ ausfällt. Diese Reise ist also schlecht fürs Klima.

Zum Glück gibt es in den unendlichen Weiten des Internet quasi alles und so auch Hilfe für unser Problem: Das Stichwort heißt Nachhaltiger Tourismus und umfasst ökologische, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte. Im Rahmen dieses Artikels habe ich begonnen, mich damit zu beschäftigen. Ein Einstieg für Euch:

  1. Für den Einstieg: 11 Tipps zum nachhaltigen Reisen und noch einmal 10 Tipps vom GREEN TRAVEL BLOG
  2. Utopia hat auch zu allem etwas: Nachhaltig reisen: Die 10 besten Öko-Reiseportale
  3. Sehr viel Stoff zum Lesen: Fair unterwegs

Was bleibt für mich?

Ich bin davon überzeugt, dass es wichtig ist, dass jeder nach seinen Kräften daran arbeitet, weniger CO2 zu erzeugen. Kompensieren ist nur die zweite Wahl. Letztendlich muss dieser Aspekt in jeder Auswahl des täglichen Lebens mit enthalten sein: Apfelsaft kann auch von der lokalen Mosterei kommen, so kann ich Transportkosten vermeiden. Jeder Fleisch-Verzicht ist aus bekannten Gründen gut. Es gibt viele kleine Schritte, die jeder von uns gehen kann. Einige sind teurer, andere weniger teuer, eiige sind schmerzhafter als andere. Solange wir jetzt anfangen, können unsere Schritte später etwas kleiner sein – und sie werden noch immer groß sein müssen.

Und trotz der Überzeugung, CO2 Ausstoß vermeiden zu müssen, sind wir nach Madeira geflogen. Wir haben uns dafür entschieden und werden Flug und Lebenshaltung kompensieren, da wir uns nicht auf den Verzicht durchringen konnten. Ausschlaggebend war für mich meine Überzeugung, dass man die Welt kennen muss, wenn man sie retten will. Und es fällt mir so unendlich schwer, die Welt zu retten, indem ich darauf verzichte, sie kennen zu lernen. Es ist und bleibt ein Dilemma.

Letztendlich müssen wir bei unseren Reisen insgesamt eine bessere Ökobilanz erzielen – nicht nur durch den Verzicht auf das das Fliegen. Und so wie wir versuchen, unseren Alltag nachhaltiger zu gestalten, so müssen wir auch den Urlaub nach ökologischen Gesichtspunkten planen. Ich denke, dass wir da noch deutlich besser werden können.