Wir können gar nicht nicht-entscheiden. Zumindest wenn wir den Statistiken glauben, die da besagen, dass wir am Tag 20.000 Entscheidungen fällen. Ist mir schleierhaft wie jemand das zählen kann, ist aber auch egal – wir sind uns sicher einig, dass es sehr viele sind. Schauen wir uns mal an, welche Situationstypen es gibt, in denen wir entscheiden.
Jede Entscheidung für etwas ist ja nun auch eine Entscheidung gegen etwas anderes. Was ist, wenn wir nicht entscheiden? Schauen wir uns die möglichen Varianten der Entscheidungsfindung an:
- Problem? Welches Problem? – Wir leugnen erstmal den Entscheidungsbedarf. Konsequenz ist typischerweise 4.
- Die Sachlage ist unklar – Konsequenz ist 3. oder 4.
- Ich kenne nicht alle Eigenschaften meiner Optionen
- Ich kenne nicht alle Konsequenzen meiner Entscheidung
- Wir entscheiden aktiv, auch wenn es schwerfällt
- Eine Option ist gut, die andere schlecht
- Beide Optionen sind gut
- Beide Optionen sind hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte gut
- Beide Optionen sind schlecht
- Ist mir egal, ich entscheide da gar nix!
- Ist wirklich egal – dann ist das nicht-Entscheiden auch in Ordnung und letztendlich auch eine Entscheidung.
- Nur aus Trotz dahergesagt – ungeschickt, wenn es jemand ernst nimmt und daraus 4.1. macht.
Dann haben wir noch den Aspekt der Konsequenzen einer Entscheidung. Fragen wir dazu den Herrn Laotse (chinesischer Philosoph, 6. Jh. v.Chr.) aus China, würde er sagen:
Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.
Das wusste er übrigens schon etwa 2.500 Jahre früher als ein gewisser Herr Sartre. Dieser der die Verantwortlichkeit für unser Tun daraus ableitet, dass wir erst sind (Existenz) und uns dann erst definieren (Essenz). Der Mensch ist also, was er selbst aus sich macht:
„Wenn die Existenz dem Wesen vorausgeht, das heißt, wenn die Tatsache, dass wir existieren, uns nicht von der Notwendigkeit entlastet, uns unser Wesen erst durch unser Handeln zu schaffen, dann sind wir damit, solange wir leben, zur Freiheit verurteilt…“
Die Konsequenz und Verantwortung einer Entscheidung sind somit klar geregelt: Egal wie und ob wir entscheiden, wir sind dafür verantwortlich und auch für die Konsequenz der (Nicht-)Entscheidung. In einer Welt, in der jeder einen dieser Wege zur Entscheidungsfindung nimmt, ist somit alles halbwegs OK. Es bleiben aber zwei Lücken: wir sind Betroffener einer Entscheidung durch jemanden anderes, der aber seine Entscheidungsfindung nicht kommuniziert. Eine weitere Lücke ist, wenn jemand seine Entscheidungsfindung kommuniziert, aber eine andere umsetzt. Beides hat erhebliche Auswirkungen auf uns selbst.
Geheime Wahl der Entscheidungsfindung
Um einen Vorgang so richtig zu sabotieren, ist eine geheime Entscheidungsfindung hilfreich: Es liegt eine Entscheidung an, ich entscheide, sage es aber niemanden – weder das ich mich entschieden habe noch wie. Oder mir ist es eigentlich egal, was passiert, behalte das aber auch für mich. So kann ich Prozesse beliebig in die Länge ziehen. Ich muss nur aufpassen, dass mir die Entscheidung nicht abgenommen wird oder aus anderen Gründen mein Einfluss auf den Prozess schwindet. So kann ich Prozesse und Mitmenschen beliebig lange blockieren.
Es ist zwar maximal gemein, diese Führungstechnik absichtlich einzusetzen, es geht jedoch auch unabsichtlich, sozusagen fahrlässig. Wir können uns nur gegen die zweite Variante wirklich wappnen: Die fahrlässig geheime Wahl der Entscheidungsfindung. Wenn jemand es absichtlich macht, sollten wir ihn darauf hinweisen und die Auswirkungen seines Tuns auf uns selbst beschreiben. Vielleicht haben wir Glück und er gelobt Besserung.
Im Falle, dass wir „versehentlich“ nicht informiert wurden, wie die Entscheidung gefällt wird, können wir nachfragen. Wir können auch versuchen, eine Üblichkeit installieren, bei der wir regelmäßig darüber sprechen: Beim Mittagessen, Meetings, mal Anrufen, wie auch immer. Irgendwann erfahren wir es schon und wir können geduldig nachfragen.
Zwei Wege zur Entscheidungsfindung
Das Problem, zwei Wege zur Entscheidungsfindung zu beschreiten, hat nichts mit dem Problem zu tun, dass eine Person zwei Entscheidungen fällen kann. Das ist zwar auch lästig, wenn wir uns nicht auf eine Entscheidung verlassen können, ist aber nicht Gegenstand dieses Textes. Ich möchte hier das Problem beschreiben, wenn eine Person zwei Wege zur Entscheidungsfindungen beschreitet. Beispiel: Er sagt, ihm wäre die Entscheidung egal (Entscheidungsfindung 4.), akzeptiert aber die Entscheidung eines Dritten nicht.
Oft haben wir ja schon ein Bauchgefühl, wenn der Weg zur Entscheidungsfindung festgelegt wird, dass er möglicherweise eben doch nicht feststeht. Wir erkennen die Situation, dass wir zwei Entscheidungsfindungswege vorliegen haben, an folgenden Sätzen:
- „Nein, so habe ich das doch nicht gemeint!“
- „Wenn ich das gewusst hätte, würde ich das anders machen!“
- „Aber das ist doch selbstverständlich, dass…!“
- „Mir ist es ja egal, aber so will ich das nicht!“
Was können wir tun? Wir können im Vorfeld etwas tun, um diese Situationen zu vermeiden, indem wir absichernde Fragen stellen. „Wenn Dir egal ist, wie entschieden wird, darf ich dann entscheiden und auch XY machen?“ oder „Brauchst Du für eine Entscheidung weitere Informationen zu Option XY?“.
Du hast alles bestmöglich gemacht, jetzt erkennst Du aber das Muster trotzdem? Glückwunsch, damit ist das Kartenhaus der Entscheidungsfindung grade zusammengebrochen und es ist quasi keine Entscheidung da. Dann musst Du zurück auf Los und den Entscheidungsprozess von vorne beginnen. Wenn Du Glück hast, lässt sich der Prozess mit den bisherigen Erkenntnissen etwas beschleunigen. Um wieder eine tragfähige Entscheidungslage zu bekommen, musst Du aber mit den Betroffenen wieder zu einem neuen Konsens kommen: Wer entscheidet was, wann und wie?
Was bleibt für mich?
Entscheidungen sind nur das Ergebnis der Entscheidungsfindung. Ich werde mir genauer ansehen, wie Entscheidungen gefällt werden, wann von wem, um frühzeitig zu erkennen, ob etwas schiefläuft. Es sind dabei auch immer wieder frustrierende und/oder anstrengende Teilschritte zu durchlaufen, die man sich nicht selbst ausgesucht hat. Da hilft Geduld und eben das Gespräch, was das Verhalten anderer mit mir macht. Manchmal. Hoffentlich.
Kurz nachdem ich diesen Artikel erstellt habe, sah ich folgende Werbung für das Spiel “Life is Strange“, die ich fotografiert habe. Ich habe keinen Bezug zu dem Hersteller, ich fand die Überschrift über dem Plakat nur sehr passend.