Sicher kennt Ihr Situationen, in denen Ihr gefragt werdet, warum Ihr Euch in einer Situation in bestimmter Weise verhalten habt. So eine Frage kann sehr unangenehm sein, aber welche Aspekte der Warum-Frage führen dazu, dass der Gefragte sich unwohl fühlt?
Zunächst fragt “warum” nach der Ursache eines Merkmals und ist oft verbunden mit einer Handlung. Warum hast Du heute die Jeanshose an? Warum schreibst Du diesen Blog-Artikel? Warum kannst Du heute nicht länger arbeiten?
Ein ganz wichtiger Aspekt, warum wir uns bei der “Warum”-Frage unwohl fühlen könnten, ist in dem Modell der vier Botschaften einer Nachricht von Schulz von Thun gut erklärt. Unbewusst nehmen wir war, dass in der Frage eigentlich etwas anderes verpackt ist. Von Thun bezeichnet dies als “Die vier Seiten der Kommunikation”. Die Frage nach dem Grund für den Blog-Artikel könnte den Beziehungsaspekt enthalten: “Ich glaube nicht, dass dein Blog-Artikel die Zeit wert ist!”. Wir hören also eine Frage nach unserer Motivation, Dinge so und nicht anders entschieden haben. Gleichzeitig nehmen wir aber wahr, dass die Antwort nicht frei von einer Grundhaltung des Fragenden ist. Dieses Prinzip nennt die Kommunikationswissenschaft eine Doppelbotschaft, was ich später noch genauer vorstelle.
Der zweite Aspekt ist, dass in der “Warum”-Frage neben dem kausalen auch ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Wir beschreiben mit der Ursache etwas, dass zeitlich vor dem betrachteten Ereignis und möglicherweise in der Vergangenheit liegt. Wenn dann noch der Fragende den Anschein weckt, dass die Entscheidung falsch war, werden wir in eine Rechtfertigungsrolle gedrängt. Auch darauf gehe ich später noch einmal ein.
Doppelbotschaft
Das Wesen der Doppelbotschaft besteht darin, in den verschiedenen Ebenen der Kommunikation unterschiedliche bis hin zu widersprüchliche Nachrichten zu senden. Am Beispiel der Frage nach den Gründen des Pünktlichen Feierabends haben wir also vielleicht eine Situation wie folgt:
Warum kannst Du heute nicht länger arbeiten?
- Sachaspekt
Erkläre mir Deine Gründe. - Selbstaussage
Ich möchte, dass du heute diese Aufgabe noch fertig machst. - Beziehungsaspekt
Ich bin enttäuscht, dass Du die Dringlichkeit falsch einschätzt. - Appell
Bleib im Büro und mach die Aufgabe fertig.
Der Widerspruch in der Doppelbotschaft besteht hier also zwischen dem Sachaspekt und der Selbstaussage. In der Frage nach dem Grund wird gleichzeitig transportiert, dass der Grund sowieso nicht akzeptiert wird.
Rechtfertigung
Der unangenehme Aspekt der Rechtfertigung entsteht in folgenden Situationen:
- Ich stehe dem Fragenden gegenüber in einem untergeordnetem Verhältnis oder nehme mich zumindest so wahr.
- Der Grund bezog die Ziele des Fragenden nicht ein.
- Aus heutiger Sicht habe ich mich falsch entschieden.
Im Beispiel oben nach den Gründen eines normalen Feierabends entsteht das unangenehme Gefühl der Rechtfertigung aus den Punkten 1. und 2.
Was bleibt für mich?
Wenn ich die Aspekte der Warum-Frage besser verstehe, kann ich als Fragender und als Gefragter besser mit den unangenehmen Randerscheinungen umgehen. So kann ich als Fragender ergänzen, dass ich die Gründe verstehen möchte, um offen darüber zu diskutieren zu können. Ich kann den Druck zur Rechtfertigung mindern, indem ich den Fokus stärker in die noch änderbare Zukunft lege. Ich sollte also besser danach fragen, was wir zukünftig tun wollen, um jeden Tag etwas klüger zu werden [Adenauer].
Als Gefragter kann ich versuchen, die zwei widersprüchlichen Botschaften zu separieren und getrennt zu beantworten. Das muss mir nicht unbedingt gelingen: Die Doppelbindungstheorie beschreibt die Grenzen und Wirkungen dieser Kommunikationsstrategie sehr gut.
Wenn ich aber die Aspekte der “warum”-Frage besser verstehe, kann ich je nach meinem Charakter die Wirkung steigern oder schwächen. Der Umgang sagt somit auch sehr viel über den Fragenden aus.