Im Artikel Lesbarkeit von Texten habe ich mich mit den Grundregeln des Schreibens beschäftigt, die die Verständlichkeit von Texten erleichtern sollen. Das sind sicher notwendige Regeln, sie sind jedoch nicht hinreichend. Natürlich muss der Schreiber auch ein passendes Vokabular nutzen und den Text inhaltlich nachvollziehbar aufbauen. Und schon sind wir wieder bei situationsahängigen Maßstäben, denn wie soll ich als Schreiber beurteilen, ob mein Vokabular passend ist oder ein Schluss nachvollziehbar ist?
Der langjährige Leser meines Blogs kennt meine dunkle Seite, auf Newsseiten wie SPON zu stöbern. Nun, das ist nicht die dunkelste Seite. Ich schaue mir auch Bildergeschichten an, gemeinhin Comics genannt. Sehen wir uns folgendes Beispiel an:
Inhaltlich will ich mich sicher nicht mit diesem tiefschürfenden Motto auseinandersetzen. Ich finde die Aussage jedoch bemerkenswert, dass (angeblich) in der Philosophie manches entweder als tiefschürfend oder als dämlich gelten kann. Das geht bestimmt und das möchte ich tiefschürfend kommentieren.
Wiktionary beschreibt die Philosophie als die Lehre vom Sein, Ursprung und Wesen der Dinge, als die Lehre über Erkenntnis und Wahrheit. Kann damit also ein philosophischer Text einerseits dämlich, andererseits tiefschürfend sein? Ja, ich sage, dass das geht. Und das ist auch nicht auf die Philosophie beschränkt. Das zugrundeliegende Prinzip ist die Semiotik und darin insbesondere das Semiotische Dreieck. Die Aussage ist, dass etwas Geschriebenes vor dem Kontext des Lesers ein Bild hervorruft, dieses Bild aber nicht der Intention des Schreibers entsprechen muss. Das gilt auch für zwei Leser, die den gleichen Text lesen, aber ein unterschiedliches Bild davon haben können.
Die Begriffe dämlich und tiefschürfend deuten nun aber auf eine Logik hin. Kann etwas gleichzeitig gemäß einer Logik tiefschürfend und dämlich sein? Nein, das kann es wohl nicht, aber in unterschiedlichen Logiken geht das! Und hier kommt das semiothische Dreieck zur Geltung: Ich schreibe in meiner Logik (meinem Kontext) einen tiefschürfenden Satz, in der Logik des einen oder anderen Lesers mag der gleiche Text dämlich sein. Theoretisch denkbar ist es natürlich auch genau umgekehrt, aber wer schreibt schon dämliche Texte ins Internet?
Meist funktioniert das Kommunizieren zwischen Schreiber und Leser ja trotzdem recht gut. Aber Vorsicht: Je besser es uns gelingt, den Kontext des Lesers in unseren Text einzubeziehen, desto besser passen intendiertes und erzeugtes Bild zusammen.
Was bleibt für mich? Ich versuche das Verhalten meiner Mitmenschen in ihrem Kontext zu verstehen. Damit habe ich die Möglichkeit, es an meinem Kontext zu spiegeln und schon ergeben sich meist auch in Diskussionen neue Optionen. Schwierig wird es, wenn ich überlege, was der andere überlegt, dass ich grade überlegen könnte. Dieses Prinzip der Kontextspiegelung steht übrigens scheinbar entgegen dem Anspruch zur Authentizität, die fordert, das Sein und Schein identisch ist. Aber das besprechen wir wann anders.